Begriffe
Ganzheitliche Sexualaufklärung
«Ganzheitliche Sexualaufklärung vermittelt Kindern und Jugendlichen, Mädchen und Jungen objektive, wissenschaftlich korrekte Informationen über alle Aspekte der Sexualität.
Sie beschränkt sich nicht auf die Prävention von Risiken im Zusammenhang mit der Sexualität und behandelt keine Verhütungsmethode bevorzugt.
Sie hilft Kindern und Jugendlichen, wesentliche Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen zu entwickeln, die es ihnen während allen Entwicklungsphasen ermöglichen, Sexualität und Beziehung selbstbestimmt zu leben.
Sie unterstützt Kinder und Jugendliche dabei, ein erfüllendes und verantwortungsvolles Sexual- und Beziehungsleben zu führen»(1).
Ganzheitliche Sexualaufklärung definiert sich durch:
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eine positive Herangehensweise an die Sexualität, basierend auf den Menschenrechten,
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eine frühe Sexualaufklärung, die bereits die ersten Lebensjahren mit einbezieht,
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eine Sexualaufklärung durch mehrere Akteur_innen: informell (Eltern, Familie, Peers) und formell (Schule, Schulsozialarbeit),
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eine schulische Sexualaufklärung, die den Kindern und Jugendlichen altersgerecht aktuelle und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Informationen vermittelt,
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eine Sexualaufklärung, welche die sozialen Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen stärkt, damit sie selbstständig und informiert Entscheidungen zu ihrer Sexualität treffen können,
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eine Sexualaufklärung, die den Kinderrechten und dem staatlichen Auftrag in Bezug auf die Prävention von sexuellem Missbrauch, unerwünschten Schwangerschaften, HIV/STI und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität entspricht,
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eine Sexualaufklärung, die alle Aspekte der Sexualität abdeckt: Der menschliche Körper und seine Entwicklung; Fruchtbarkeit und Fortpflanzung; Sexualität; Emotionen; Beziehungen und Lebensstile; Sexualität, Gesundheit und Wohlbefinden; Sexualität und Rechte; Soziale und kulturelle Aspekte der Sexualität,
- eine Sexualaufklärung, die das Zusammenleben fördert und auf demokratischen Werten wie Freiheit, Gleichstellung, Respekt vor der Privatsphäre, Autonomie, Integrität und Menschenwürde und den Menschenrechtsprinzipien im Zusammenhang mit Sexualität beruht.
Mehr dazu
- WHO und BZgA, Standards für die Sexualaufklärung in Europa, 2010/2011
- HSLU und PH Luzern, Schulische Sexualaufklärung in der Schweiz, 2018, S. 16ff (Umfassende Ausführungen zu verschiedenen Begrifflichkeiten und Quellenangaben)
- Bulletin Sexualaufklärung NO 1
- Expert_innenbericht zur Sexualaufklärung in der Schweiz, 2018
- Stellungnahme des Bundesrates zur ganzheitlichen Sexualaufklärung, 2018
Quelle
- (1) ARTANES et SANTÉ SEXUELLE Suisse, Cadre de référence pour l'éducation sexuelle en Suisse romande, 2014, S.8 (Papierversion)
- WHO und BZgA, Standards für die Sexualaufklärung in Europa, 2010/2011
- Gouvernement du Québec, L'éducation à la sexualité dans le contexte de la réforme de l'éducation, 2003
Heilpädagogik
Das Recht auf ein erfülltes Beziehungs- und Sexualleben, auf sexuelle Gesundheit sowie auf Zugang zu den Leistungen, die diesbezüglich notwendig sind, gehören zu den sexuellen Rechten. Diese grundlegenden Menschenrechte stehen allen Menschen, auch Menschen mit Behinderung, zu und dies unabhängig von der Art der Behinderung.
Menschen mit Behinderung haben das Recht auf fortwährende Bildung
im Bereich Beziehung und Sexualität, welche ihren Bedürfnissen angepasst ist und ihrer individuellen Lage Rechnung trägt.
Diese Bildung zur sexuellen Gesundheit ist Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu gewährleisten. Der pädagogische Ansatz muss individuell an das Tempo, die kognitiven Möglichkeiten und die Ausdrucksfähigkeiten der Person angepasst werden, wobei die Ressourcen und Grenzen der Person mit Behinderung zu berücksichtigen sind.
Sie soll die Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls fördern. Sie soll zu Entscheidungen befähigen, die Freude und Wohlbefinden auslösen. Es sollen positive Erfahrungen mit dem eigenen Körper, dem Erscheinungsbild und mit Beziehungen gemacht werden können. Es soll sowohl ein positiver Zugang zu Sexualität vermittelt als auch Prävention zu ungewollter Schwangerschaft, sexuell übertragbaren Infektionen und sexueller Gewalt angestrebt werden.
Sexualaufklärung findet nach Möglichkeit in einer Gruppe statt, sollte aber ergänzend immer auch im direkten Einzelkontakt erfolgen.
Es gibt spezifisches Unterrichtsmaterial für die Sexualaufklärung mit Menschen mit Behinderung. Schulen und Lehrpersonen können Fachpersonen der Sexualpädagogik mit dem bedürfnisgerechten Unterricht beauftragen. Nehmen Sie mit der Fachstelle für Sexualpädagogik oder der Fachstelle für sexuelle Gesundheit in Ihrem Kanton Kontakt auf. Viele dieser Fachstellen bieten eine den individuellen Bedürfnissen angepasste Sexualaufklärung an.
Deklaration des Europäischen Parlaments
Sexualaufklärung basiert auf den international anerkannten Menschenrechten, insbesondere auf dem Recht auf Information. Jeder Mensch, ob jung oder alt, hat ein Recht auf Bildung zu sexueller Gesundheit. Die Deklaration des Europäischen Parlaments (1992) fordert in seiner Resolution A3-231 / 92, dass:
«(...) im Bereich des Zivilrechts die emotionale und sexuelle Bildung von Menschen mit Einschränkung(en) verbessert wird, indem ihrer besonderen Situation mehr Rechnung getragen wird und dass sie wie alle Menschen die Möglichkeit haben, ihre sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen (...)».